Statt gewohnter Wanderung bildungsstarker Stadtrundgang am Mittwoch

Ein starkes emotionales Erlebnis vermittelte unsere Wanderführerin, Stadtarchivarin und Romanautorin Dagmar Rumpf am vergangenen Mittwoch, dem 7.10.2020 vielen unserer Mitglieder. Die Gruppengröße war am Limit der Corona bedingten Höchstzahl zugelassener Teilnehmer.

Tief mit der Materie vertraut gab uns Dagmar einen berührenden, ja wütend machenden Einblick in die Geschehnisse einer Baden-Badener Vergangenheit im 17. Jahrhundert. Markgraf Wilhelm war bestrebt, dem gerade aufblühenden Protestantismus in der damals noch „Baden“ genannten Stadt in der Markgrafschaft „Baden-Baden“ eine Rekatholisierung entgegen zu setzen.

Es ging bei diesem Stadtspaziergang um die protestantisch überzeugte sogenannte „Hexe“ Anna Weinhag, die sich trotz fürchterlicher, vielfacher Folterung ihrem katholischen Hexenrichter Matern Eschbach zu widersetzen versuchte. Ob ihr das gelang, erschließt die Lektüre des Buches „Nichts von dir soll übrig bleiben“.  Das war die Losung, die Anna Weinhag über sich hatte ergehen lassen müssen.

Dagmar Rumpfs Anspruch war und ist es, verbürgte historische Tatsachen verknüpft mit nur ganz spärlicher Dichtung in einem Roman nachvollziehbar darzustellen. Die Motivation für die Autorin, diesen Roman zu schreiben, war jedenfalls, Anna Weinhag ein Denkmal zu setzen und ganz viel von ihr dem interessierten Leser übrig zu lassen.

Der an der Spitalkirche startende Rundgang auf historischen Wegen und Plätzen vermittelte die Vorstellung, wie das alte Baden vor rund 400 Jahren ausgesehen haben mag. Die Teilnehmer konnten nachvollziehen, wo das ehemalige Gernsbacher und das Ooser Tor stand, an welcher Stelle sich in der Königshofgasse der als Gefängnis missbrauchte sogenannte Hexenturm befand oder wo beispielsweise heute noch ein Bau an der Ecke Luisenstraße/ Wilhelmstraße sich stilisierend an  den Gemminger Turm anlehnt, in dem die Hexen-Folterungen vollzogen wurden. Davor war der mutmaßliche Ort oder die Umgebung des Wohnhauses der Anna Weinhag eine Station des Rundgangs. Auch der seit ewigen Zeiten bestehende Durchgang von der Mühlengasse zur heutigen Luisenstraße wurde historisch beleuchtet: Er bot die einzige Möglichkeit, die Stadt zu verlassen, ohne eines der streng bewachten Stadttore zu passieren. Dem Müller oblag es, den Ort und die Passage  als der „Achillesferse der Stadt“ zu kontrollieren.

Viele solcher historischer Episoden und Auszüge aus dem Buch machten die fast zweistündige Lesung und Führung zu einem außerordentlichen, kurzweiligen Erlebnis, das einen nicht unberührt lässt.

Text und Fotos (außer Buchumschlag): Herbert Kretz

Dagmar Rumpf: Nichts von dir soll übrig bleiben  -Die Hexe Anna Weinhag aus Baden-      ISBN 978 -3-95505-205-8